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DER LANDSCHAFTSFOTOGRAF – WIE WIR ( ICH ) TICKEN

Wer nicht wie wir Landschaftsfotografen draußen in der Natur ist und zu unmöglichen Zeiten das Bett verlässt, der fragt sich bestimmt, was motiviert uns, warum machen wir das?

Wir haben, und das zu recht, immer Outdoorklamotten an. Wir schleppen stundenlang unseren schweren Kamerarucksack mit uns rum. Wir Essen wenn das Licht schlecht ist und wir hungern wenn der Himmel brennt. Wir stehen im eisigen Wind mit der Thermoskanne in der Hand. Wir essen bei Fototouren an Tankstellen teure und ekelige Fast Food Burger. Für außergewöhnliche Fotos gehen wir auf die Piste, wenn andere schlafen gehen. Wir fahren stundenlang mit dem Mietwagen umher und erkunden Fotolocations. Wir sitzen am Rechner und recherchieren ewig unsere Fotourlaube, und weshalb?

Der Grund meines Beitrages sind die Gedanken die ich habe, wenn ich nach dem Fotografieren im Morgenlicht im Auto sitze und auf dem Heimweg bin. Oft bin ich dann noch bei dem Erlebten, habe entspannte Musik im Radio laufen und freue mich auf das Frühstück. Ich freue mich, die Beute die im Kofferraum im Fotorucksack wartet, auf den Rechner zu laden und zu bearbeiten.

Die Spezies der Landschaftsfotografen tickt ähnlich wie ich. Ich bin auch ohne Kamera ständig am Abscannen der Landschaft, beobachte Wolken, versuche Farben im Himmel zu analysieren, zu speichern und freue mich über jede spektakuläre Lichtstimmung. Wir gehen einfach mit anderen Augen durch den Alltag. Wir sehen Formen und Farben, bauen unbewusst schon einen Bildaufbau zusammen. Oft nerve ich meine Freundin mit “schau mal da, die Baumgruppe” oder  “die Wolken sind total blau, nicht grau, schau mal”. ” Da drüben, da ist alles lachsfarben im Himmel und die Form der Eiswolken…”

Vor ein paar Tagen, an einem verschneiten Wintermorgen im Januar, stand ich zur blauen Stunde mit dem Stativ auf den Felsen im Pfälzerwald. Nichts war zu hören, absolute Stille, kein Wind, kein Auto, nichts. Nur das Zwitschern einiger frühlingsbekannten Singvögel lies mich erstaunen. Unglaublich, mitten im Januar erwarte ich so etwas nicht.

Ich erinnere mich an eine Nacht zum Fotografieren von Startrails, das lag ich mit der dicken Winterjacke im Moos und schaute in den Sternenhimmel währen von weitem Eulen riefen.

Eine Situation in Italien war unglaublich. Ich kannte die Kapelle Santa Maria della Pietà in Rocca Calascio nur von Fotos meiner Kollegen. Doch dann stand ich da oben auf 1460m Höhe, der Wind blies kräftig und die Sonne wärmte den Maitag. Brutal schön, die Landschaft war so weit, so einsam und karg und doch brachten irgendwann Menschen das Baumaterial in hier hoch um dieses schöne Bauwerk zu errichten. Da wurden meine Augen feucht vor Ehrfurcht vor diesem Moment. Du siehst die Fotos Deiner Kollegen und bewunderst diese, doch irgendwann ist der Moment da und Du stehst selber hier, Du hast es geschafft. Boah!

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Sind wir romantische Trottel oder sentimentale Idealisten? Passen wir noch in die Zeit der IPad Fotografie?

Wenn wir on Loacation sind hoffen wir immer, dass uns der Morgen Drama und Farbe im Himmel schenkt. Wir staunen über Rottöne, die wir so noch nie gesehen haben. Dimmt die Sonne allerdings farblos und grau weg, sind wir meist enttäuscht.

Ich denke, das liegt an unserem innersten Bedürfnis nach Harmonie. Im Alltag sind wir im Büro oder in den Werkhallen eingesperrt und leiden unter Kunstlicht. Menschen drängen sich und die Musikbeschallung im Einkaufsradio sowie der tägliche Kommunikations und -administrationswahn überfordert uns oft. Wir können nicht flüchten.

Man muss einen Sinn für das Schöne haben und die Natur an sich heran lassen. Viele meiner Fotografenfreunde sind Genussmenschen. Einer erzählte mir mal, er setze sich in den warmen Sand bevor er fotografiert und lässt diesen durch die Hände rieseln um zu spüren, wie er sich anfühlt.

In all der Zeit, in der ich mit anderen Landschaftsfotografen Kontakt hatte, habe ich nur nette Zeitgenossen kennengelernt. Kein Gezicke oder Gekeife. Alles entspannte Menschen, hilfsbereit und liebenswürdig. Irgendwie scheinen wir ein gemeinsames Gen zu haben. Man gibt sich gegenseitig Tipps, leiht sich Objektive aus, testet gemeinsam und freut sich, wenn ein Kollege ein großes Bild gemacht hat. Man freut sich darüber, welches Glück er mit dem Licht hatte und überlegt, wie es wohl vor Ort gewesen sein muss.

Nach vielen Workshops schreiben mir Teilnehmer mittlerweile Weihnachtskarten und bedanken sich. Einer schrieb, ich hätte sein Leben verändert. Das berührt mich zu tiefst. Bei einer Vernissage bringt mir ein Teilnehmer stolz sein bestes Foto als Druck mit und schreibt mir ein paar liebe Zeilen dazu. Es macht mir Freude, mein bescheidenes Wissen zu teilen und zu sehen, wie andere Menschen damit aufblühen und das Gleiche verspüren. Der Virus der Lichtmalerei hat uns fest im Griff- Heilung ausgeschlossen.

Das frühe Aufstehen, die Vorfreude auf das Licht, die Farben und die Ruhe, die Nähe zur Natur und alles fern vom Alltag zu erleben, sind die kleinen Abenteuer des Alttags. All das sind die Beweggründe, warum ich so ticke wie ich ticke.

 

 

7 Comments

  • Sven März 21, 2015 - 6:23am

    Genau so! Ein gelungenes Foto ist unser Ziel. Das drum herum gehört aber unbedingt dazu und macht ebenso den Reiz an der Landschaftsfotografie aus wie das Fotografieren selbst.

    Gruß,
    Sven

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  • Christian Schweiger Februar 2, 2015 - 6:14pm

    Ein wirklich schöner und treffender Text, bei dem ich jeden Satz so unterschreiben könnte….
    Gruß Christian

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  • Frank Januar 31, 2015 - 4:02pm

    Danke für deine Story, würde ich mir gerahmt an die Wand hängen ….. als Leitsatz für das was ich liebe!
    Wie oft hat meine Familie schon den Spruch gehört bezüglich der Baumgruppe oder des Baumes und wie oft habe ich den Anker geworfen um die Koordinaten ins Garmin zu hämmern!

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  • Martin Büchler Januar 31, 2015 - 12:44pm

    Hallo Raik,

    ein sehr schöner Artikel, der es genau auf den Punkt bringt. Ich habe mich gut wiedererkannt. In der Natur zu wandeln und die Landschaft zu genießen ist einfach ein tolles Gefühl.

    Liebe Grüße
    Martin

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  • Frau Joghurt Januar 29, 2015 - 2:35pm

    Vielen Dank für den Einblick in deine Gedanken. Ich habe mich an vielen Stellen wiedererkannt. Unverständlich für jemanden, der nicht fotografiert.
    LG
    Isa

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  • Jürgen Weginger Januar 28, 2015 - 8:51pm

    Sehr treffend formuliert und ich finde wir passen noch sehr gut in die I-Pad Generation, noch mehr als je zuvor. Wir können unsere Bilder jetzt immer und überall herzeigen, ob sie es sehen wollen oder nicht 🙂
    Es ist schon ein herrliches Gefühl draussen zu warten bis die Natur ihr Schauspiel beginnt. Immer und immer wieder.

    Gruß
    Jürgen

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  • Sonja Jordan Januar 28, 2015 - 7:49pm

    Wunderbar geschrieben, Raik! Genau so läufts ab, ich kanns gut nachvollziehen.

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