Heute möchte ich mich in einem Blogbeitrag mal zur Entstehung und zur technischen Seite eines Fotos meiner letzten Reise nach Teneriffa widmen.
Mein Blick geht heute mal ganz lange zurück. In die Tage und Wochen, an denen ich mit Erstaunen und Bewunderung feststellen durfte, wie großartig doch Landschaftsfotos sein können. Zu dieser Zeit hatte ich alles an Material verschlungen und aufgesaugt, was mit der Fotografie von Landschaften zu tun hatte.
Ich wollte es unbedingt genau so können. Ich wollte lange Belichtungszeiten realisieren, wollte magisches Licht einfangen können, ich wollte Fotografieren wie die ganz großen. Es gab und gibt in meinen Augen wenig Informatives in Fotoforen und sonstigen Plattformen, die über das Zählen von Pixeln und Diskutieren über Beugungsunschärfe hinaus wirkliches, praktisches und realitätsnahes Fotowissen vermitteln.Deshalb möchte ich für all die geneigten Landschaftsfotografen und die, die es werden möchten, genauer auf meine Art der Arbeit eingehen. Dieser Beitrag richtet sich natürlich weniger an die Profis und alten Hasen.
Meine Liebe ist es, Meereslandschaften, Seascape zu fotografieren. Nun muss man dazu wissen, das Meer ist immer der Chef. Will sagen, gerade am Atlantik ist es wichtig, die Gezeiten, die Wellen und deren Dynamik und Geschwindigkeit genau im Auge zu behalten. Erst dann sollte man sich der Wasserlinie nähern.
Das hatte ich also an jenem Morgen bereits getan. Der Stand der Gezeiten war also ablaufendes Wasser, kurz vor Ebbe. Somit ist die Wucht der Wellen weniger.
WO MUSS ICH HIN
Mein Standpunkt sollte mitten in den schwarz glänzenden Steinen sein und meine Bildkomposition sollte einerseits die sandsteinfarbenen Wellen der Küstenberge in der linken Bildhälfte darstellen, das Wasser sollte nebelartig wirken und natürlich wollte ich dazu noch die zarten Farben der Morgendämmerung in dem Bild vereinen.
Das Stativ stand dazu in einer Höhe von circa 50cm über den Steinen, damit recht nah am Wasser dran. Ein Klappdisplay an der Kamera ist da natürlich Gold wert, meine Pentax K-1 hat ein solches, sehr rückenschonend 😉
Die Komposition war gefunden, die Schärfe gesetzt und die geschlossene Blende dehnt den Schärfebereich von runden 5o cm bis in den Bereich von unendlich aus.
Warum ich genau diesen Bildschnitt gewählt habe, erläutert das Overlay.
Ich bin jetzt nicht der Fotograf, der alle Linien und Diagonalen vor Ort als maßgeblich für das Arrangieren des Bildes ansieht. Es ist bei mir so in Fleisch und Blut übergegangen, dass ich nach der optischen Analyse immer wieder schmunzeln muss.
Die Horizontlinie liegt so gut wie auf dem obersten Drittel. Bei Elementen, die diagonal ins Bild laufen achte ich penibelst darauf, dass sie auch genau aus der linken oder rechten Bildecke kommen, siehe die weiße Diagonale unten rechts und die längliche Felsenform. Ebenso bildet die Diagonale von rechts unten nach links oben auch das Ende der runden Steine und den Übergang zum Wasser ab.
Die Diagonale von links oben nach rechts unten bildet fast die Form der abfallenden Küstenfelsen links im Bild ab. Die Diagonale rechts oben nach links unten bildet die Form der Felsen rechts im Bild ab.
Ich kann vor Ort nur sagen, so gefällt es mir, so würde ich es aufbauen.
SO VIEL KONTRAST
Der Motivkontrast vor Ort, also die Spanne an Helligkeit zwischen den schwarzen Steinen im Vordergrund und dem Gelb in den Wolken nahe dem Horizont war extrem groß. Das passt so nicht in einem Foto auf den Kamerasensor.
Um den Kontrast so zusammenzustauchen, dass er dann doch in ein Foto passt, setzte ich einen Grauverlaufsfilter mit einer Lichtreduktion im Himmel von 4 Lichtwerten ein.
Die Dämmerung war in ihrer Helligkeit so gering, dass ich auf runde 4 Sekunden Belichtungszeit für ein korrekt belichtetes Bild, bei Blende 16 und einem ISO-Wert von 100 kam.
Das daraus entstandene Bild gefiel mir von der Struktur des Wassers und der Wolken noch nicht. Um länger belichten zu können, musste ich ergo die vorhandene Lichtmenge, die auf den Sensor fällt, reduzieren.
Dazu verwendete ich einen ND-Filter mit einer Lichtreduktion von 6 Lichtwerten, also einen ND 1.8.
Die Helligkeit nahm sehr schnell zu, so, dass ich für die korrekt errechnete Zeit dieser Langzeitbelichtung mit dem ND-Filter auf 50 Sekunden kam.
Das erste Foto entstand Ortszeit 07:18 Uhr, das finale Foto 07:25 Uhr.
Wer von euch mit dem Rechnen von Langzeitbelichtungen vertraut ist wird feststellen, das bei meiner Rechnerei in diesem Beispiel scheinbar etwas faul ist.
HABE ICH MICH VERRECHNET?
Zur Verlängerung der Zeit hatte ich ja einen ND-Filter mit einer Stärke von 6 Blenden eingesetzt. Ich rechne euch nun mal genauer vor. Das erste Foto war eine Belichtungszeit von 4 Sekunden. Verlängern wir das nun mal stückweise:
1 Blende länger belichten – 8 Sekunden
2 Blenden -16 Sekunden
3 Blenden- 32 Sekunden
4 Blenden- 64 Sekunden
5 Blenden- 128 Sekunden
6 Blenden- 256 Sekunden – in Summe hätte ich also ungefähr vier Minuten belichten müssen.
Der Sonnenaufgang an dieser Location am 16.11.2019 war exakt um 07:29 Uhr. Da ich mich circa 3500km südlich von Deutschland befand, waren sie Dämmerungsphasen deutlich kürzer, was zur Folge hat, das die Helligkeit bei einem Sonnenaufgang viel schneller zunimmt, da wir uns ja näher am Äquator befinden, als in Deutschland. In den 7 Minuten von Foto eins zu Foto zwei hat sich die Helligkeit also extrem verändert. Von daher habe ich um 2 Lichtwerte, Blenden kürzer belichtet und so kommt es zu den 50 Sekunden Belichtungszeit.
In der Zwischenzeit, während ich also den Bildaufbau mache, auslöse und das Histogramm überprüfe muss ich immer eine Auge auf die Wellen haben. Dann gehört immer wieder das Wegwischen der Wassertropfen auf den Filtern zur Übung, wie auch das Balancieren zwischen den rutschigen Felsen.
Falls ihr nun Gefallen gefunden habt, an meinen ausführlichen Geschichten und technischen Details zu meinen Bildern, dann lasst mir doch einfach einen Kommentar hier zurück.
Sollte das Anklang finden, werde ich das dann in Zukunft häufiger bloggen.
Lust dazu habe ich!
In diesem Sinne, habt Spaß an eurem Hobby und nehmt euch im Alltag die Zeit dazu.
Nadine Dezember 2, 2019 - 5:47am
Danke für die anschauliche Erklärung! Das Foto finde ich absolut gelungen, gefällt mir total gut. Ich würde mich sehr über weitere Posts dieser Machart freuen. 🙂
Raik Dezember 5, 2019 - 8:45am
Nadine, es geht mit den Artikeln nun weiter. Viel Spaß dabei.
Schweevondersee November 26, 2019 - 8:13am
Vielen lieben Dank für den „Blick hinter die Kulissen“! Der Umgang mit Filtern ist mir leider nicht so geläufig, aber der Text und die Bilder inspirieren mich, endlich intensiver an dem Thema zu arbeiten. Gerne mehr davon 🙂
Raik November 27, 2019 - 9:28am
Das freut mich zu hören. Ich bleibe da am Ball.