Eine Location – endlose Motive
So etwas ist der Traum eines jeden Landschaftsfotografen. Du bist an einem wundervollen Ort und das Licht ändert sich stetig. Du kannst aus dem Vollen schöpfen, stets neue Perspektiven finden und dauernd neue Bildideen verwirklichen.
So erging es mir Ende September in den Abruzzen; eine bezaubernde Region in Italien. Geprägt von den Bergen des Apennin, dessen Gipfel des Grand Sasso Massivs bis auf eine Höhe von 2914 m reichen.
Meine Unterkunft und gleichzeitig Fotoziel war das Rifugio della Rocca, oberhalb des Ortes Calascio gelegen. Von hier ist, in nicht mehr als zehn Gehminuten, die alte achteckige Kirche Santa Maria della Pietà und das Castello zu erreichen.
Das hat den Charme, vor dem Abendessen kann der Sonnenuntergang fotografiert werden. Nach dem Essen geht es noch einmal hinauf für Nachtfotos mit Sternenhimmel, soweit sichtbar, und am Morgen zum Sonnenaufgang.
Mein Aufenthalt hier war auf zwei Nächte begrenzt.
Der erste Abend war nicht wirklich mit spannendem Licht gesegnet. Ab und zu zeigten sich minimale Wolkenlücken durch die Lichtfinger kleine Flecken der Landschaft aufhellten.
Das einzige Mittel, ein wenig mit Licht zu malen war in meinen Augen an diesem Abend eine Langzeitbelichtung. Die ziehenden Wolken heben die Kirche majestätisch von dem Grau ab.
Am ersten Morgen hoffte ich auf einen vernünftigen Sonnenaufgang.
Während der Blauen Stunde glühten die kleinen Ortschaften wie flüssige Lava auf dem Hügeln der Abruzzen.
In der Ferne waren einige Wolkenfälle am Rande des Campo Imperatore zu sehen. Mit dem Tele konnte ich dort schön rein halten und die trist wirkende Landschaft grafisch zusammenraffen.
Doch das Licht war wieder nicht all zu magisch. So entschied ich mich, mit einem Panorama die Region zu dokumentieren.
Die Wetterprognosen während des Tages und für den kommenden Morgen waren schlecht. Tags über regnete es oft und die Berge waren in Wolken eingehüllt. Eigentlich wollte ich am kommenden Morgen nicht aufstehen, der Wecker war ausgestellt aufgrund der Wolkenvorhersage und die Begeisterung ziemlich am unteren Ende angekommen. Doch die senile Bettflucht trieb mich am Morgen gegen 05:45 Uhr ans Fester und siehe da, W O L K E N F R E I!!
Für einen anständigen Sternenhimmel war ich schon zu spät, die astronomische Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Doch ganz flink spurtete ich die Felsen hoch, ruckzuck wie eine Bergziege, ISO hochgeknallt, Blende weit auf – Bildaufbau machen, Fokussieren, Zeit schätzen und schnell einen Sicherheitsshot machen. Schwupps, passt auf Anhieb. Der Morgen der zahllosen Motive sollte beginnen:
Im Viertelstundentakt änderte sich das Licht und mit Ihr die Landschaft. Die tief hängenden Wolken füllten die Täler und im Wortsinn fühlte ich mich über den Wolken schwebend. Das alte Castello thronte mächtig unter dem Morgenhimmel.
Die Zeit verging wie im Flug, eben noch alles klar und trocken zogen in Sekundenschnelle Wolken über mich und tauchten alles in ein mystisches grau. Die Filter liefen an und keine 5 Minuten später war alles wieder vorbei.
Immer wieder erschien die Kirche in neuem Licht und ich konnte nicht anders, als stetig mit neuem Bildaufbau ein anderes Bild, als wenigen Minuten zuvor, zu machen.
Als dann die Sonne knapp über dem Horizont hinter der Wolkenschicht stand, begann der Himmel zu leuchten und die Lichtstrahlen durchfluteten den Himmel.
Jetzt begann die Morgensonne in den Nebel zu leuchten. Die Bergspitzen des Apennin leuchteten in der Ferne. Magisches Licht mit minütlicher Änderung der Atmosphäre verzauberten mich, trieben mich umher, fesselten mich, erzeugten eine Gänshaut und mein Hirn schüttete Endorphin und Seretonin in Unmengen aus. Immer wieder rief ich “was für ein Licht”.
Der letzte Bildaufbau von diesem Morgen entstand, ich machte insgesamt 4 Fotos mit jeweils 15 Sekunden Abstand. Von links schoben sich Wolken immer höher. Das Erste Foto zeigte noch alles um die Kirche herum scharf und klar, da Dritte istvon der Reihe hier zu sehen und auf dem Vierten dieser Serie war dann komplett alles in Nebel gehüllt.
Die Menge an Fotos von diesem Morgen lassen mich mit einer selten da gewesenen Unentschiedenheit zurück. Unentschieden darüber, welches nun das Beste ist, unentschieden, welche davon zeigenswert sind und unentschieden, ob ich dieses oder jenes noch entwickeln soll.
Ich zeige in diesem Beitrag bewusst immer wieder Fotos der Chiesa Santa Maria della Pietà, da ich Euch vor Augen halten möchte, wie eine Location mit dem Licht steht und fällt. Ich möchte zeigen wie vielfältig die Möglichkeiten in der Landschaftsfotografie sind um von einem Motiv zahlreiche Ansichten, Perspektiven und Lichtstimmungen mitzunehmen.
Martin G. November 20, 2015 - 2:47pm
Hallo Raik,
wieder ein toller Beitrag von dir.
Die Reise hat sich anscheinend gelohnt, die Bilder sind Klasse geworden!
Was würde ich dafür geben mal mit dir losziehen zu können ;)…
Grüße
Author November 20, 2015 - 4:45pm
Hallo Martin,
danke Dir. Wohnst Du weit weg von der Pfalz?
LG
Raik